Skulpturengruppe „Mars und Venus“ im Kolbe-Hain

Mit 64 Abbildungen: Die lebensgroße Skulpturengruppe “Mars und Venus” stammt von dem Bildhauer Georg Kolbe und ist ein posthumer Bronzeguss von 1963 aus der Bildgießerei Herrmann Noack, Berlin. Diese Skulpturengruppe befindet sich in der näheren Umgebung des Kolbe-Museums in Westend in Berlin-Charlottenburg in dem ab 1957 so benannten Georg-Kolbe-Hain. Sie steht am südöstlichen Parkeingang zur Heerstraße hin. Diese Skulpturengruppe ist eine von insgesamt fünf Skulpturen, bei denen es sich um Erstgüsse von überkommenen Gipsmodellen Kolbes aus den 30er und 40er Jahren für nicht ausgeführte Projekte handelt.

Zu sehen sind ein Männer- und ein Frauenakt, die sehr nahe beieinander stehen. Mars, der von einem jungen, schlanken und kräftigen Mann verkörpert wird, steht mit seiner Vorderseite frontal zu der jungen, schlanken Frau, Venus, die ihre linke Seite bzw. Schulter ihm zuwendet. Der junge Mann ballt beide Fäuste, von denen er die rechte knapp oberhalb seines Kopfes hält , während er die linke am gerade nach unten gerichteten Arm vom Körper weg streckt. Venus wiederum hält ihren rechten Arm angewinkelt vor ihrer Brust mit einer nicht gänzlich geschlossenen Hand. Die linke Hand hält sie halb geöffnet im nahen Körperbereich zwischen sich und Mars auf Höhe ihrer Schulter und seiner Brust, ohne dass sie ihn dabei berührt. Beide, sowohl Mars als auch Venus blicken sich nicht an, sondern aneinander vorbei in die Ferne, weisen dabei eine eher zurückhaltende Mimik auf. Sie wirken fast teilnahmslos, als stünden sie eben nicht eng nebeneinander. Dennoch sind bei der Frau die Mundwinkel minimal angehoben, sodass aus manch einem Blickwinkel ein leicht angedeutetes Lächeln erkennbar ist. Der Blick des jungen Mannes ist etwas ernster, aber nicht verärgert. Vielmehr strahlt das Gesicht ein gewisse Ruhe und Gelassenheit aus. Und dieser Blick will nicht so richtig zu seiner exaltierten Gestik mit Armen und Fäusten passen.

Genauso ist sein Standmotiv in sich widersprüchlich. In seiner Rückenansicht scheint es noch ein annähernd ruhender Kontrapost mit Spiel- und Standbein zu sein, bei dem einerseits die Hüfte des Standbeins angehoben ist, während sich die Schulter der gleichen Seite zur Hüfte absenkt. Das Spielbein ist dagegen gebeugt und nicht belastet, die Hüfte senkt sich, während die Schulter im Gegenspiel angehoben wird. Eigentlich. Der junge Mann hält die rechte Schulter nicht wirklich sehr viel höher als die linke, zumal die abgesenkte linke Schulter eigentlich noch durch den nach unten gestreckten Arm eine zusätzliche Abwärtsbewegung erhält. Außerdem wird der rechte Arm über den Kopf nach oben gehoben und angewinkelt, sodass die geballte Faust knapp oberhalb der Kurzhaarfrisur gehalten wird. Auch diese Bewegung müsste den Kontrapost zusätzlich verstärken, tut es aber nicht. Des Weiteren steht der Fuß des Spielbeins mit seiner gesamten Sohle fest auf dem Boden, das Knie ist dabei dennoch angewinkelt und nach vorne zur jungen Frau gebeugt. Diese Haltung des Mars kann man nicht anders als unnatürlich bezeichnen. Denn ein Spielbein hat zur Folge, dass das Bein angewinkelt ist und sich dadurch die Ferse zwangsläufig vom Boden entfernt und nur die Fußspitze den Boden berührt, eigentlich.

Venus hat im Übrigen in gleicher Weise kein natürliches, ruhendes Standmotiv: sie würde quasi im nächsten Moment – dies ist weniger gut an ihrer Vorderseite, jedoch besonders an ihrer Rückseite zu erkennen – nach hinten links umkippen. Ihr linker Fuß mit dem angewinkelten Knie, das Spielbein, ist im Verhältnis zum rechten Fuß, das Standbein, weit nach vorne gestellt. Beide Fußsohlen berühren gänzlich den Boden. Eine nicht natürliche Standweise, was am Rücken der Venus nachzuvollziehen ist, denn es ist ebenfalls kein klassischer Kontrapost zu erkennen. Stattdessen hebt sich sowohl die Hüfte als auch die Schulter auf der Seite des Standbeins an, die Spielbeinseite senkt sich tendenziell mit Hüfte und Schulter im Ganzen ab. Der Körper kann eine solche Gewichtsverlagerung nicht lange aus sich heraus halten und müsste nach einem kurzen Zeitraum zur Seite des Spielbeins fallen.

In dieser Skulpturengruppen treffen einige Gegensätze auf engstem Raum aufeinander. Einerseits weisen beide Standfiguren für sich jeweils unsichere Haltungen auf. Dennoch brechen sie auch in der Vorstellung der Betrachtenden nicht in sich zusammen. Dies rührt erstens daher, dass beide Figuren sehr nah beieinander stehen, ohne sich zu berühren. Zweitens bewegen sich beide Fallrichtungen auf einander zu. Im nächsten Moment würden sie sich gegenseitig stützen und halten. Das gebeugte Knie des Mannes steht sozusagen bereit, das Zurückkippen der Frau sicher aufzufangen. Andererseits wird die augenscheinliche Wut und Aggression, die die gestreckten Arme und geballten Fäusten wie auch die Namensgebung „Mars und Venus“ suggerieren, durch die in sich ruhenden Blicke von Mann und Frau aufgelöst, aber auch durch die fast zärtliche Nicht-Berührung von Venus‘ Hand zwischen ihr und Mars. Beide Figuren sind nicht in einem ruhenden Moment – abgesehen vom Gesichtsausdruck – aufgenommen, sondern in einem bedeutsamen Bruchteil einer Bewegung dargestellt. Kämpfen Mars und Venus gegeneinander oder ist die Kraft gar nach außen gegen andere gerichtet? Oder tanzen beide in Wirklichkeit zusammen? Oberflächlich betrachtet könnte diese Figurengruppe symbolisch als Geschlechterkampf oder Tanz des Lebens eines jungen Paares bewertet werden. Um wiederum in einem politischen Sinn beide Akte stellvertretend als Personifikationen für Krieg und Liebe interpretieren zu können, wirkt doch die Szenerie insgesamt – trotz ihrer bedeutungsschweren, grundsätzlichen Steifheit – zu intim und partnerschaftlich. Hierfür ist die Nähe zueinander zu stark betont. Angesichts der vordergründigen Unnahbarkeit beider Figuren geht es vielmehr um einen hintergründigen, weit tieferen Sinn zwischen Mann und Frau. Und zwar ist in dieser Skulpturengruppe ein zentraler Moment manifestiert: das Kämpferische, das Abwehrende, die Zärtlichkeit und Nähe zueinander, die eigenen Unsicherheiten und Stärken, die Schönheit, die Ruhe sowie die Zusammengehörigkeit innerhalb einer Partnerschaft verschmelzen zu einem gemeinsamen Kern, der doch irgendwo zwischen beiden Bronzefiguren zu existieren scheint.

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Daten zur Skulpturengruppe „Mars und Venus“ im Kolbe-Hain

Name: „Mars und Venus“
Standort: Kolbe-Hain, Westend, Berlin-Charlottenburg, Berlin, Deutschland
Objekttyp: Skulptur
Genre: Bildhauerei
Zeit: -, (1963)
Bildhauer: Georg Kolbe (1877-1947)
Weitere Werke: Der Morgen und der Abend in den Ceciliengärten, das Grabmal Busoni in Berlin-Schöneberg sowie die „Ruhende“ und „Dionysos“ wenige Meter entfernt im Kolbe-Hain
Bildgießerei: Hermann Noack, Berlin
Weitere Werke: siehe zur Person Noack
Darstellung: Männerakt, Frauenakt
Bemerkung: Das angegebene Datum gilt für den abgebildeten Neuguss. Georg Kolbe hat jedoch diese Skulptur bereits früher für andere Projekte geschaffen.
Material: Bronze

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Literatur und Quellen

Bildergalerie

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Bildträger: Fotografie
Format: digital
Foto: Andres Imhof
Kamera: Fujifilm X-T1
Datum: 01.12.2015
Uhrzeit: 13:21 – 14:42 Uhr

Creative Commons Lizenzvertrag
Die Bilder dieser Bildergalerien von der Skulpturengruppe „Mars und Venus“ im Georg-Kolbe-Hain von Andres Imhof sind lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht-kommerziell – Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.

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